Donnerstag, 3. Januar 2013

Trittbrettdrucker

Ja, ich las immer gerne im ZEIT-Magazin die Rubrik „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“, in der der Altkanzler in einer Zigarettenlänge seine Einschätzung zu aktuellen Fragen preisgab. Auch den Film „Außer Dienst“ fand ich großartig. Die „Loki und Smoky“-Szenen im WDR, in denen er parodiert wird, sind sogar ohne den echten Schmidt sehenswert und einfach hinreißend.
Jetzt, wo sogar die FAZ auf Schmidts Werbewirksamkeit setzt, ist im Heyne-Verlag ein Buch erschienen, das unter dem Titel „Als Helmut Schmidt einmal…“ 55 „kleine Geschichten über einen großen Mann“ versammeln soll. In freudiger Erwartung auf unterhaltsame Stories habe ich es mir auch gekauft – und wurde herb enttäuscht. Das Buch ist durchweg so schwach, dass es sein Geld nicht mal ansatzweise wert ist.
 
Der Autor (Jost Kaiser, Textchef bei GQ) hält zwar fest, die Archive seien „voll mit fast siebzig Jahren Schmidt-Berichterstattung“, man müsse sie nur durchforsten, um unerzählt Gebliebenes aufzuspüren – aber er versammelt vor allem jede Menge Banalitäten ohne Witz und Spannung. Wo sind die versprochenen „kleinen Begebenheiten am Rande“, die „bislang unerzählten Ausbrüche aus dem offiziellen Schmidt-Sein“? Wen interessiert, was Schmidt 1982 bei IKEA eingekauft hat?
Die Journalistin Nina Grunenberg, die 1975 „Vier Tage mit dem Bundeskanzler“ verbrachte und darüber ein Buch dieses Titels verfasste, gewährt darin weitaus spannendere Einblicke.

Und auch die zahllosen anderen vergleichbaren Anekdoten-Sammlungen berühmter Politiker (z.B. „Typisch Scheel“  oder „Typisch Mischnik“ von Hermann Otto Bolesch, „Heuß-Anekdoten“ gesammelt und erzählt von Hanna Frielinghaus-Heuss, „Willy Brandt – Anekdotisch“, erzählt von Heli Ihlefeld oder die verschiedenen Adenauer-Anekdoten-Bände von Walter Henkels) bieten deutlich mehr Unterhaltungswert. Jost Kaiser hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, alte Plenarprotokolle auf prägnante Zitate hin zu durchforsten. Ohne großen Aufwand finden sich Geschichten (etwa vom Klatschogramm), die deutlich interessanter als die meisten von Kaiser gesammelten Geschichten sind. Ärgerlich, so ein Trittbrettdrucker.

Bildquellen: Heyne-Verlag / FAZ

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