
Vor zwei Wochen war ich beruflich in Hamburg in der Nähe des Michels, der bekanntesten Kirche Hamburgs (die übrigens auch auf der neuen 2-Euro-Münze abgebildet ist). Natürlich habe ich mir eine halbe Stunde Zeit genommen, dort reinzuschauen. Mir fiel dabei ein, dass der Professor Helmut Thielicke dort über Jahre einmal im Monat "nebenberuflich" vor jeweils über 3000 Menschen gepredigt hatte. Die Hamburger Polizei stellte zu seinen Predigtterminen immer einen Verkehrspolizist ab, um "die Wagenauffahrt vor dem Portal zu regeln". Viele dieser Predigten wurden später als Bücher ("Das Bilderbuch Gottes", "Wie die Welt begann" ...) veröffentlicht.
Ich habe mir dann zu Hause nochmal die Bücher und seine Autobiografie ("Zu Gast auf einem schönen Stern") zur Hand genommen. In seinen Erinnerungen erwähnt er im Rahmen einer lustigen Anekdote, dass der SPIEGEL ihn 1955 auf die Titelseite genommen hatte. Das dürfte für einen deutschen Theologen eine einmalige Sache gewesen sein. Ich habe mir die Ausgabe antiquarisch besorgt und bin fasziniert, wie sachlich und fast werbend der Autor über 8 Seiten berichtet:

Thielicke ist in der Evangelischen Kirche ine Rarität. Er ist publikumswirksam. [...] Er spricht vor Leuten, die ihre Zeitung gelesen haben, über das, was sie in der Zeitung gelesen haben. Er erläutert die Bibelstelle, die an der Reihe ist, mit den Ereignissen, die an der Reihe waren - in der Politik, in der Wirtschaft. Er kennt die Wochenschau, er kennt das Alltagsdeutsch, er kennt den Bundesbürger. Er weiß in dieser Welt Bescheid, und er nutzt diese Kenntnis, um sich mit seiner Zuhörerschaft auch über die andere Welt zu unterhalten. [...] In einem Szenarium [...], das nach den Schlagzeilen der letzten Zeitungsausgabe aufgebaut ist, lassen Thielickes Zuhörer Christus in biblischer Wörtlichkeit und ohne Bultmanns Entmythologisierung willig an sich herantreten.Der Artikel endet mit Reflexionen über angemessene Missionsstrategien. Tja, entweder war das wirklich eine andere Zeit (immerhin über ein halbes Jahrhundert her) oder der SPIEGEL wollte in seiner Weihnachtsausgabe einfach etwas religiös-friedliches bringen. Heutzutage verkaufen sich vermutlich Hefte mit dem Koran auf dem Titelbild (Weihnachtsausgabe des Spiegels 2007) besser.
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